22.11.2022

Saarländische Expertise im Irak

Lana Baba Haji kam als junge Ärztin aus Kurdistan ins CaritasKlinikum Saarbrücken. Ihre Freundschaft zu Chefärztin Dr. Martina Treiber besteht auch nach ihrer Rückkehr in die Heimat und führte dieses Jahr zu einem Gegenbesuch
Bild

Als sich Lana Baba Haji im CaritasKlinikum vorstellte, war sie gerade frisch aus dem Irak gekommen und im siebten Monat schwanger. „Auf den ersten Blick habe ich es gar nicht gesehen und war verblüfft, dass sie zu einem Vorstellungsgespräch kommt“, erinnert sich Dr. Martina Treiber, Chefärztin der Klinik für Radioonkologie, zurück und muss dabei immer noch lächeln. „Aber Frau Baba Haji versicherte mir, dass es für sie eine Selbstverständlichkeit sei, kurz nach der Geburt wieder anzufangen zu arbeiten.“ Dieses Gespräch der beiden Ärztinnen liegt inzwischen über zehn Jahre zurück. Damals kam Lana Baba Haji mit ihrem Mann aus Kurdistan, einer autonomen Region im Norden von Irak. Beide hatten von der kurdischen Regierung Stipendien für eine Facharztausbildung. „Die Strahlentherapie war damals bei uns noch ganz neu“, blickt Lana Baba Haji zurück. „Ich wurde zusammen mit fünf anderen Assistenzärzten ausgewählt, um in Sulaymaniyah ein neues Zentrum aufzubauen. Das war wie ein Lotto-Gewinn – wir waren absolute Pioniere auf dem Gebiet. Nach knapp zwei Jahren intensiver Arbeit wollte ich dann unbedingt die Facharzt-Weiterbildung machen und meine Kenntnisse noch weiter vertiefen. In Deutschland gibt es dafür die besten Voraussetzungen.“


Im CaritasKlinikum Saarbrücken wurde die damals 28-Jährige in der Klinik für Radioonkologie herzlich willkommen geheißen. „Ich war beeindruckt von dieser jungen Frau, die schon innerhalb kürzester Zeit toll Deutsch gelernt hatte“, erinnert sich Dr. Martina Treiber zurück. „Mit ihrer offenen, freundlichen Art und ihrer Bereitschaft zu lernen und zu arbeiten war sie von Anfang an ein Gewinn für die Klinik.“


Und tatsächlich: Nur vier Monate nach der Geburt ihrer Tochter nahm die junge Ärztin ihren Dienst in der Radioonkologie auf. „Dort, wo ich herkomme, ist das ganz normal – ich kenne es nicht anders“, sagt Lana Baba Haji. „Natürlich war es nicht immer einfach, aber wir hatten großes Glück und haben eine tolle Tagesmutter gefunden.“


Zwischen den beiden Frauen entwickelte sich schnell eine Freundschaft. „Alle waren so hilfsbereit und haben mich so lieb aufgenommen“, so Baba Haji. „Ich werde nie vergessen, wie mir die Kolleginnen bei der Wohnungssuche und den anderen Formalitäten geholfen haben.“ Martina Treiber fügt hinzu: „Die Behördengänge sind zum Teil wirklich schwierig. Die Anerkennung hat fast ein Jahr gedauert, aber ich habe mich für sie verbürgt, weil ich gleich gemerkt habe, was sie alles kann.“


Neun Jahre blieben Lana Baba Haji und ihr Mann in Saarbrücken, bevor es im Sommer vergangenen Jahres zurück nach Kurdistan ging. „Es war von vorneherein klar, dass es ein zeitlich begrenztes Programm ist und wir haben uns auch sehr gefreut zurück zur Familie zu kommen. Auch wenn wir das Saarland und vor allem die Menschen natürlich sehr vermissen.“ In ihrer Heimatstadt Sulaymaniyah bildet sie im Zhianawa Cancer Center nun selbst Fachärzte aus: „Meine Erfahrungen kommen mir jetzt sehr zugute. Wenn man sagt, dass man in Deutschland gearbeitet hat, ist das weltweit ein Vorteil.“


Für Martina Treiber war bereits bei der Verabschiedung klar: „Ich werde sie besuchen.“ Pandemiebedingt hat es noch ein bisschen gedauert, aber im Mai war es endlich soweit und sie verbrachte gemeinsam mit dem leitenden Medizinphysiker Dr. Jörg Müller zehn Tage im Irak. „Ich bin generell daran interessiert, andere Länder zu bereisen und zu sehen, wie dort gearbeitet wird. Das ist immer eine Bereicherung und gibt Ideen und Anregungen für die eigene Arbeit“, so Treiber. „Es war spannend, die Klinik zu besuchen, in der Lana arbeitet und mit Patienten zu sprechen.“ Durch ihre dreijährige Tätigkeit in Katar kann die Chefärztin ein bisschen arabisch sprechen und versteht die Mentalität und das Lebensgefühl. „Ich freue mich, dass Lana ihre Expertise und alles, was sie kann und was sie zum Teil bei uns gelernt hat, an die Menschen in ihrem Heimatland zurückgeben kann. Sie ist eine super-gute Ärztin und wir haben sie nur schweren Herzens gehen lassen. Aber so können wir auch einen Beitrag leisten und unseren caritativen Anspruch umsetzen.“


Die Expertise von Lana Baba Haji wird in Kurdistan dringend benötigt: „Wir haben lange Wartelisten für die Bestrahlung. In der ganzen Region von Sulaymaniyah gibt es nur zwei Strahlengeräte für 1,5 Millionen Menschen“, erklärt die Ärztin. Zum Vergleich: Im Saarland gibt es zehn vergleichbare Geräte für knapp eine Million Menschen. „Dazu kommen dann auch noch viele Patienten aus dem Irak, weil dort viele Kliniken privatisiert sind und bei uns die Behandlung kostenlos ist.“


Aber neben dem beruflichen Austausch stand natürlich auch Freizeit und Kultur auf dem Besuchs-Programm. „Es war schön, die Familie von Lana kennen zu lernen. Und Kurdistan ist ein wunderschönes Land mit wilden Landschaften“, schwärmt Martina Treiber. „Wir waren gemeinsam wandern, bei Bergseen und sind in Höhlen geklettert. Das natürlich mussten wir auch Weltkulturerbe der Zitadelle von Erbil bewundern. Aber das Highlight der Reise war auf jeden Fall die Menschen, ihre Freundlichkeit und Zugewandtheit. Und ihr Bemühen um die Patienten.“


Lana Baba Haji denkt gern an die Zeit in Deutschland zurück: „Ich bin stolz auf die Zeit und dankbar, dass ich dort arbeiten und so tolle Menschen kennenlernen durfte. Jeder hat mir damals geholfen, ohne Vorurteile. Es war auch manchmal schwierig, aber das Leben ist eine Mischung aus beidem und ich habe so viele schöne Erinnerung, dass ich immer noch Gänsehaut kriege, wenn ich an die Zeit zurückdenke.“

Onkologisches Zentrum am CaritasKlinikum Saarbrücken St. Theresia Rheinstraße 2, D-66113 Saarbrücken

Wir sind zertifiziert