03.05.2023

Ein Zahnrad greift ins andere – und jeder Handgriff sitzt

Einblicke hinter die Kulissen des Zentral-OP im CaritasKlinikum Saarbrücken

„Was weißt du bereits über die Hände-Desinfektion?“, fragt Silke Wagner. Die 47-Jährige steht vor der großen Spiegel-Front im Zentral-OP des CaritasKlinikums Saarbrücken. Seit über 20 Jahren arbeitet sie als OP-Schwester, sechs davon im CaritasKlinikum. Zusätzlich ist sie Praxisanleiterin und begleitet heute den Unterrichtsblock von Janina Triesch. „Es müssen mindestens 10 Minuten zwischen dem Händewaschen und der Desinfektion liegen“, sagt die 21-Jährige, die sich derzeit im vierwöchigen Praxiseinsatz im Rahmen ihrer Ausbildung Operationstechnische Assistentin (OTA) befindet. Sie verbringt die gesamte Woche im Saal 1, der für die Unfallchirurgie reserviert ist. „Heute steht die Anleitung zur Händedesinfektion auf dem Programm sowie das sterile Anziehen des Kittels und die Vorbereitung des OP-Tisches“, erklärt Silke Wagner. „Das sind alles kleine Bausteine, die aber essentiell sind für die tägliche Arbeit.“


Janina Triesch wiederholt, was sie in der Theorie gelernt hat: „Die Desinfektion selbst wird in drei Abschnitten mit jeweils drei Minuten durchgeführt. Dabei muss man besonders auf die ‚schwächere‘ Hand achten. Nach diesem ersten langen Desinfizieren reicht beim nächsten Mal eine Minute pro Abschnitt, wenn die Wechsel zwischen den OPs nicht zu lange dauern.“ Die beiden Frauen vollziehen gemeinsam das Ritual, das zum Arbeitsalltag einer jeden Pflegekraft im OP gehört. Auf dem Weg in den OP werden die Hände dann vor dem Körper gehalten, um Kontakt zu unsterilen Flächen zu vermeiden.


Insgesamt elf Operations-Säle gibt es im CaritasKlinikum Saarbrücken. Manche davon sind festen Abteilungen zugeordnet, andere werden interdisziplinär genutzt. „Wir brauchen immer mindestens zwei Pflegekräfte pro Saal“, erklärt Alexa Frauendorfer. „Wenn alle Säle laufen, muss alles reibungslos funktionieren. Jeder hat seine Aufgaben. Bei rund 60 Operationen am Tag ist alles eng getaktet und ein Zahnrad greift ins andere. Aber natürlich gehen Notfälle immer vor, die zeitnah in die Programme integriert werden.“


Alexa Frauendorfer behält im Hintergrund den Überblick. Die gelernte Krankenschwester ist seit 1979 im CaritasKlinikum und hat bis vor sechs Jahren selbst im OP gestanden. Jetzt organisiert sie Fortbildungen, schreibt Dienstpläne und sorgt für einen reibungslosen Ablauf. Gemeinsam mit ihrer Kollegin Jutta Huber-Hartung kümmert sie sich darum, dass immer genügend Personal da ist, um die OP-Säle ordnungsgemäß betreiben zu können. „Die Dienstpläne werden drei Monate im Voraus geschrieben. Wir benötigen 26 Mitarbeiter, um alle Säle zu besetzen.“


Gerade kommt ein Patient von der Station: Er soll heute an einem Hals-Tumor operiert werden. Dustin Hochleitner und sein Kollege Maik Burgardt warten schon, um ihn auf eine der OP-Liegen umzulagern. Chefarzt der Hals-Nasen-Ohrenklinik, Professor Klaus Bumm wird den Eingriff persönlich vornehmen. Saal 6 ist noch belegt – um die Wechselzeiten zu minimieren, wird parallel die Anästhesie eingeleitet. Professor Andreas Sielenkämper, Chefarzt der Klinik für Anästhesiologie und Intensivmedizin, legt zwei Infusionszugänge: „Das wird kein leichter Eingriff, da der Patient zusätzlich schwer herzkrank ist“, erklärt der Mediziner. Anästhesie-Schwester Maria Reichardt assistiert: „Wir haben hier ein sehr gutes Miteinander. Ich liebe meinen Beruf, weil er so abwechslungsreich ist und man mit tollen Menschen zusammenarbeitet.“ Sobald der Raum frei ist, wird er gereinigt und desinfiziert – Jeder weiß, was er zu tun hat, jeder Handgriff sitzt. Der Patient ist inzwischen narkotisiert: Die OP kann beginnen.


Damit während den Operationen alles zur Stelle ist, gibt es die Materialräume. „Jede Abteilung hat ihre eigenen Lagerkapazitäten“, erklärt Alexa Frauendorfer und zeigt die verschiedenen Utensilien. In so genannten Kit Packs ist alles drin, was für die Operation benötigt wird: Tupfer, Sauger, Kompressen, Abdeckungen und vieles mehr. Die Container mit dem Sterilgut wie Pinzetten oder Scheren gehen nach einem Eingriff direkt zur Zentralen Sterilisation des Hauses.


Mit einem dieser Kit Packs üben Janina Triesch und Silke Wagner derweil die Vorbereitung des OP-Tisches. „Medizin hat mich schon immer interessiert“, sagt die Auszubildende, während sie zuschaut, wie ihre Praxisanleiterin den Kittel auspackt. „Das ist einfach total spannend, was hier passiert: wie die ganzen Leute zusammenarbeiten, wie die Abläufe so reibungslos funktionieren.“ Nach einem Praktikum war für die 21-Jährige klar: das will ich machen. „Aber man muss natürlich immer im Hinterkopf behalten, dass die Leute hier schwer krank sind und es auch sein kann, dass mal jemandem nicht geholfen werden kann oder jemand stirbt“, gibt sie zu Bedenken.
Tina Holländer hat bereits 2018 ihre Ausbildung als OTA beendet. „Ich habe vorher im Rettungsdienst gearbeitet und dann ein Praktikum in der Anästhesie gemacht“, erzählt die 27-Jährige. „So konnte ich beide Seiten kennenlernen. Der Job ist unglaublich spannend und durch die komplexen Eingriffe auch extrem anspruchsvoll. Jeder Tag ist anders. Und ich mag den Patienten-Kontakt – gerade in der Extrem-Situation ist es sehr wichtig, einfühlsam zu sein.“


Auch Kinder sind keine Seltenheit im Zentral-OP des CaritasKlinikums. „Rund 700 Kinder werden jährlich bei uns operiert“, erklärt Professor Sielenkämper. „Hier müssen wir besonders viel Sorgfalt walten lassen. Anhand von Alter, Gewicht und anderen Faktoren müssen wir die Dosierungen für die Anästhesie genau errechnen und auch immer schon die geeigneten Notfall-Medikamente parat haben.“ Ein kleiner Junge erhält heute eine Paukendrainage und eine Tonsillotomie. Im Gegensatz zur Vollständigen Tonsillektomie wird hier nur ein Teil der Gaumenmandeln entfernt. Das Besondere: Die OP wird mit einem Laser durchgeführt, darum setzen alle im Raum spezielle Brillen auf. Der junge Patient darf noch eine Kinder-Serie auf einem Bildschirm schauen, der direkt über dem OP-Liege hängt. Mit den Schwestern unterhält er sich zur Ablenkung über das Fußball-Training, während Anästhesie-Ärztin Lisa Bungert den Zugang für die Vollnarkose legt.


Im Raum nebenan wird ein Patient am Meniskus operiert. Er hat mittels Spinalanästhesie eine lokale Betäubung erhalten. Der Vorteil: Er kann den Eingriff bei vollem Bewusstsein mitverfolgen und direkt nach der Operation wieder essen und trinken.


Die Praxisanleitung für Janina Triesch ist für heute beendet. Silke Wagner desinfiziert noch einmal ihre Hände und geht in den OP. „Ich bereite jetzt den Tisch so vor, wie wir es eben auch geübt haben“, sagt sie. Das Kit Pack und das Sieb mit den sterilen Instrumenten liegen schon bereit. Gemeinsam mit ihrer Kollegin zählt sie das Verbrauchs-Material. Der Patient wird reingefahren – er ist noch wach. „Hallo, ich bin Silke, ich gehöre zum OP-Team und bin heute bei Ihrer OP dabei“, sagt Silke Wagner und erklärt: „Ich finde es wichtig, dass man sich vorstellt, um die Angst zu nehmen.“ Kurze Zeit später beginnt die Anästhesie zu wirken – und die Routine beginnt von vorn: Ein Zahnrad greift ins andere und jeder Handgriff sitzt.

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